Häufig liest man über „Gründertypen“ und „Gründerpersönlichkeiten“ … aber wie sieht eigentlich die eigene Persönlichkeit als Gründer_in aus? Was motiviert Gründer_innen? Was hemmt oder stresst sie? Und wie steht es um die Selbst- und Fremdwahrnehmung? Mit diesen Themen beschäftigt sich seit sechs Jahren Christine Tiedemann. Sie ist als Trainerin und Coach im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und Teamentwicklung aktiv. An der Steinbeis Hochschule Berlin absolvierte sie eine Ausbildung zum Competence-Trainer und Coach und berät und coacht seitdem sowohl Unternehmen als auch Privat- und Geschäftsleute und Teams in schwierigen (Lebens)-Phasen. Wir haben ihr zum Thema Persönlichkeitsanalyse ein paar Fragen gestellt.
Persönlichkeitsanalyse… das klingt zunächst ziemlich „technisch“. Welche Aspekte der Persönlichkeit sind denn für eine Analyse relevant? Und warum ist sie so wichtig im Gründungsprozess?
Lebensmotive sind Grundlage für die individuelle Persönlichkeit, also für das Fühlen, Denken, Sprechen und Handeln eines Menschen. Mit unterschiedlichen Tools der Persönlichkeitsdiagnostik können diese Motive in ihrer Ausprägung ermittelt werden. Besonders sinnvoll ist die Persönlichkeitsanalyse überall dort, wo es darum geht, Klarheit über die vorhandenen persönlichen Potenziale zu erhalten und diese zu entfalten. Denn mit dem Wissen über die eigene Persönlichkeit wird es einfacher, mit Herausforderungen umzugehen. Die Motivstruktur offenbart, was ein Mensch braucht, um langfristig leistungsfähig zu sein und gleichzeitig eine hohe Lebenszufriedenheit zu haben. Ausschlaggebend für Erfolg ist die Übereinstimmung zwischen der Motivausprägung und der Möglichkeit, diese auszuleben.
Verändert der Schritt in die Selbstständigkeit oder die Gründung eines Unternehmens denn wirklich die Persönlichkeit? Wenn ja – wie?
Die Persönlichkeit an sich wird nicht verändert, wohl aber „erfüllt“. Mit bestimmten Motivkonstellationen ist es relativ wahrscheinlich, dass sich jemand zu einer Gründung entschließt. Sobald relevante Motive gelebt werden können (z.B. durch eine Selbständigkeit), ist eine Zufriedenheit sehr wahrscheinlich – allen Unsicherheiten bei einer Gründung zum Trotz. Hier ist dann das Gefühl wichtiger, sich und seine inneren Bedürfnisse ausleben zu können.
Du sprichst häufig über Resilienz und Achtsamkeit in Verbindung mit den Herausforderungen, die bei der Existenzgründung auf einen zukommen können. Warum sind diese Themen so wichtig?
Gerade in der Gründungsphase begegnen uns viele Ängste und Herausforderungen. Um dabei gesund und zuversichtlich bleiben zu können, sind Achtsamkeit und Resilienz wichtige Grundlagen. Achtsamkeit gewinnt seit Jahren an Bedeutung: Das bewusste (Er-)Leben des Hier und Jetzt, mit den Gedanken weder zu sehr in der Vergangenheit noch in der Zukunft, den Fokus auf das gerichtet, was ansteht, was guttut. Wenn ich darauf achte, dass ich mir ausreichend Zeit für stärkende Dinge nehme, kann ich auch in Krisen stabiler agieren. Man spricht hier von Resilienz. Darunter wird die seelische Widerstandfähigkeit in belastenden Situationen verstanden. Hier kommen die Resilienzfaktoren ins Spiel, die uns stärken: Akzeptanz, Opferrolle verlassen, Optimismus, Verantwortung übernehmen, Lösungsorientierung, Netzwerk, und Zukunftsplanung. Beide Grundlagen können wir gezielt trainieren und ausbauen.
Hast Du noch einen Tipp parat, wie man im Gründungsprozess auch in schwierigen Phasen achtsam und stark bleiben kann?
Wir sollten versuchen, Krisen als eine Chance zu sehen und somit gestärkt bzw. widerstandsfähiger daraus hervorzugehen. Und unserer Fähigkeit vertrauen, auch mit unerwarteten „Garstigkeiten“ des Lebens umgehen zu können. Schließlich haben wir alles selbst in der Hand und können Zukunft und Erfolg gestalten. Positive Glaubenssätze und Dankbarkeit für das, was gut läuft, können uns dabei unterstützen.