Für Existenzgründer bedeutet die Beschäftigung von Arbeitnehmern in der Regel nicht nur einen großen Schritt in ein völlig neues und ungewohntes Terrain sondern auch ein zusätzliches wirtschaftliches Risiko.
Sowohl die bürokratischen Hürden als auch die wirtschaftlichen Risiken werden gerade für Existenzgründer durch die am 1.1.2015 in Kraft getretene Mindestlohnregelung erheblich verschärft.
So dürfte zwar inzwischen allgemein bekannt sein, dass nach dieser neuen Regelung jedem Arbeitnehmer ein Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde zusteht. Weniger bekannt ist hingegen, welche Vergütungsbestandteile bei Berechnung des Mindestlohns überhaupt Berücksichtigung finden. Die Kenntnis hierüber ist jedoch für jeden Arbeitgeber, der die Frage beantworten will, ob er einen ausreichenden Lohn zahlt, von besonderer Bedeutung.
Was zählt zum Mindestlohn und welche Pflichten habe ich?
Beim Mindestlohn geht es nicht um den Betrag, der dem Arbeitnehmer ausbezahlt wird, sondern um den vereinbarten „Bruttolohn“. Als Bruttolohn gilt jedoch längst nicht alles, was einem Arbeitnehmer als Vergütung zusteht. So zählen zum Beispiel Qualitäts- und Akkordprämien, Zuschläge für Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen ebenso wenig zum berücksichtigungsfähigen Lohn wie Verpflegungs- oder Reisekosten. Weihnachts- und Urlaubsgeld zählt nur im Auszahlungsmonat zum berücksichtigungsfähigen Lohn. Für Betriebe mit Löhnen an der Grenze von 8,50 Euro empfiehlt es sich daher z. B. Sonderzahlungen zu zwölfteln und anteilig monatlich abzurechnen.
Existenzgründer sind zu Beginn Ihrer Selbständigkeit bei der Einstellung von Vollzeitkräften aus nachvollziehbaren Gründen zurückhaltend und entscheiden sich eher für die Einstellung von „Minijobbern“ bzw. geringfügig Beschäftigten. Gerade in diesen beiden Bereichen sind auf Grund der neuen Regelungen zum Mindestlohn jedoch einige Besonderheiten zu beachten.
So müssen Betriebe und angehende Arbeitgeber hier exakt rechnen, denn wegen des Mindestlohns darf ein Minijobber maximal 52,9 Stunden im Monat arbeiten (450 : 8,50). Betriebe, deren Minijobber bisher länger arbeiteten, sollten unbedingt die bestehenden Arbeitsverträge anpassen und entweder die Arbeitszeit reduzieren oder die Vergütung erhöhen.
Bei einer Änderung der Konditionen ist gerade im Bereich der Minijobber jedoch besondere Vorsicht geboten, da dabei von anderer Seite Ungemach drohen kann. So würde zum Beispiel das einfache Aufrunden der Arbeitszeit auf praktikable 53 Stunden/Monat dazu führen, dass dem Arbeitnehmer bei Zugrundelegung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Stunde ein Monatslohn von 450,50 Euro zustünde. Da dieser Betrag die 450-Euro-Grenze überschreiten würde – wenn auch nur um 50 Cent – gingen die Vorteile des Minijobs (Pauschalierung) verloren.
Welche Ausnahmen vom Mindestlohn gibt es?
Ausnahmen vom Mindestlohn gelten unter anderem für Jugendliche unter 18 Jahren ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Auszubildende sowie Langzeitarbeitslose während der ersten sechs Monate.
Vorsicht ist bei der Beschäftigung von Praktikanten geboten, da auch diese grundsätzlich Anspruch auf den Mindestlohn haben. Nur in Ausnahmefällen (vgl. § 22 MiLoG ) sind Praktikanten vom Mindestlohn ausgenommen:
- bei verpflichtendem Praktikum gem. Ausbildungs- oder Studienordnung,
- bei einem Praktikum bis zu 3 Monaten als Orientierung vor Ausbildung/Studium oder begleitend zu Ausbildung/Studium,
- bei Teilnahme an einer Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung.
Alle Praktikanten, auf die die Ausnahmetatbestände nicht zutreffen, sind mit dem Mindestlohn zu entlohnen.
Hohe Anforderungen kommen schließlich bei den Aufzeichnungspflichten auf die Arbeitgeber zu. Sie müssen für folgende Mitarbeitergruppen binnen sieben Tagen nach der Arbeitsleistung Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit inklusive Angabe von Pausen dokumentieren und zwei Jahre aufbewahren: Minijobber, kurzfristig Beschäftigte, Mitarbeiter in den Branchen nach § 2a des Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetzes, wie etwa Baugewerbe, Gaststätten, Gebäudereiniger.
Mit Wirkung zum 1. August 2015 sind allerdings wichtige Änderungen bei den Aufzeichnungspflichten nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) in Kraft getreten. Das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat im Zuge einer Anpassung der Mindestlohndokumentationspflichtverordnung (MiLoDokV) festgelegt, dass für den Arbeitgeber künftig keine Verpflichtung zur Erstellung, Aufbewahrung und Bereithaltung der Stundenaufzeichnungen mehr besteht, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt des Arbeitnehmers eine Grenze von € 2.000 brutto überschreitet und dieses Monatsentgelt für die letzten zwölf Monate nachweislich gezahlt wurde. Die Aufzeichnungspflicht entfällt künftig außerdem für alle Familienangehörige, die im Betrieb des Arbeitgebers mitarbeiten.
Welche Strafen drohen mir bei Unterschreitung des Mindestlohns?
Unterschreitet ein Betrieb den Mindestlohn bzw. kann er nicht belegen, dass er die gesetzlichen Regeln eingehalten hat, so wird es teuer: der Arbeitgeber muss die vollen Sozialabgaben für den eigentlich geschuldeten (Mindest-) Lohn nachentrichten. Zudem drohen nicht nur bis zu 500.000 Euro Bußgeld, sondern schon ab einem Bußgeld in Höhe von 2.500 Euro ist der vorübergehende Ausschluss von allen öffentlichen Aufträgen möglich. Daneben können betroffene Beschäftigte ihren Mindestlohn selbstverständlich vor dem Arbeitsgericht einklagen.
Unternehmer und insbesondere Existenzgründer sollten daher unbedingt sicherstellen, dass sie die Vorschriften über den gesetzlichen Mindestlohn richtig umsetzen. Geringe Löhne einfach nur auf einen Stundenlohn von € 8,50 anzuheben, ist jedenfalls oft zu einfach gedacht.
Hamburg, 22.10.2015
Dr. Andreas Reiter, Dipl. Sozw. Mareike Holst
E-Mail: reiter@commerz-kontor.de
COMMERZ KONTOR GMBH
Weitere, aktuelle Informationen zum Thema Mindestlohn finden sich auch hier: http://www.arbeitsrechte.de/mindestlohn/