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Artikel vom 26. März 2019

Gründerstory: Weg mit den Altlasten!

Gründerstory

Hamburgs Marie Kondo: Julia Lüdemann hilft Menschen in der Hansestadt, ihr Leben zu ordnen. Foto: WHY

Viele nehmen es sich vor, wenige tun es, die meisten hassen es: Aufräumen. Dabei gibt es gerade eine regelrechte „Aufräumwelle”, losgetreten durch Ordnungsmeisterinnen wie Marie Kondo, die gleich ein neues Lebensgefühl versprechen. Ein Glücksfall für Julia Lüdemann, die seit Herbst 2014 mit ihrer Agentur Klar Schiff machen genau das für unordentliche Hamburger übernimmt.

Als Julia 40 wurde, fing sie an zu grübeln: „Wo wollen wir alt werden? Was machen wir noch mit unserem Leben?” 17 Jahre hatte sie mit ihrem Mann in Leipzig verbracht, Buchhandels- und Verlagswirtschaft studiert, zwei Söhne bekommen und über acht Jahre im Ernst Klett Verlag als Marketingberaterin gearbeitet. Zurück in den Verlag wollte sie nicht, zugleich zog es die gebürtige Hamburgerin wieder in die Heimat. Beide Eltern lebten dort, und ihr Mann wollte sich beruflich weiterentwickeln. Und Julia?

Einfach anfangen!

„Bei einem Berufscoaching war herausgekommen, dass ich gerne Atmosphären schaffe, in denen sich Menschen wohlfühlen”, erzählt die 42jährige. Aber erst ein Artikel über „Decluttering” öffnete ihr die Augen: „Ich habe Organisationstalent und kann gut mit Menschen, das war es!” Eine Ausbildung dafür gab es nicht. Aber die „Aufräumerinnen” in Leipzig, die ihr, obwohl Konkurrentinnen, ideelle Starthilfe gaben und rieten: „Probier es einfach aus!” Bei Bekannten übernahm Julia den ersten Job. „Das lief gut, ich wurde weiterempfohlen, und dann habe ich meine Website gemacht.” Und gleich einen Ableger entwickelt: die mobile Büroassistenz. Noch immer fährt sie jedes Quartal zu einem Leipziger Professor, um die Steuer vorzubereiten und den Bürokram zu sortieren.

Das Tempo selbst bestimmen

Ihr Händchen für Buchhaltung bildete nach dem Umzug nach Hamburg auch ihr Sicherheitsnetz: „Ich bekam einen Gründerkredit und wollte die Agentur gleich in Vollzeit betreiben. Aber das funktionierte nicht. Die Kinder mussten erstmal ankommen, mein Mann hatte einen neuen Job, und im Haus meiner Eltern, in das wir zogen, gab es viel zu tun. Ich brauchte einen Brot- und Butter-Job, um in meinem Tempo wachsen zu können.” Als angestellte Buchhalterin in einer Werbefilmproduktion arbeitet Julia auch jetzt noch zweieinhalb Tage die Woche. Montag und Freitag aber sind Klar-Schiff-Tage.

Die eigenen Ressourcen einteilen

In Hamburg kommt sie mit der Kundenakquise gut voran, „hier ist die Kaufkraft größer als in Leipzig”. Trotzdem müssen die persönlichen und finanziellen Ressourcen eingeteilt werden. „Ein privater Gründungsberater hat mit mir Preise festgelegt und den Stundenlohn errechnet. So traute ich mich endlich, für das Kennenlerngespräch 20 Euro zu nehmen, damit ich keinen Ausfall habe.” Als ihr eine Freundin die hei. empfiehlt, denkt sie zunächst, das brauche sie nicht mehr. „Pustekuchen. Im Scheckheft stehen so unglaublich tolle Sachen. Das Seminar Papierloses Büro war super für meine mobile Büroassistenz, das WordPress-Seminar hat enorm bei der Website geholfen und das Seminar Pressearbeit war auch klasse.”

Gründerstory

Für ihr neuestes Projekt, den Abreißkalender mit Tipps zum Loslassen und Aufräumen, sucht Julia Lüdemann noch einen Verlag. Die Lavendelsäckchen näht sie aus Stoffresten selbst und schenkt sie Kunden nach erfolgreichem Kleiderschrankaufräumen. Foto: WHY

Mit Feingefühl ausmisten

Ihre Kunden rekrutiert die Gründerin aber weniger über Pressearbeit, als über Mund-zu-Mund-Propaganda, denn ohne Vertrauensbasis geht es nicht: „Die, die mich anrufen, haben zwar Leidensdruck und wollen auch. Aber viele befinden sich in einer Veränderung. Das kann ein Umzug oder der Tod eines Angehörigen sein, oder die Kinder gehen aus dem Haus.” Fingerspitzengefühl sei gefragt und dass man sich zurücknehmen könne. „Ich mache Vorschläge und gebe dem Ganzen Struktur. Was wegkommt, entscheiden die Menschen selbst.” Am gefragtesten ist Julias 5-Stunden Paket: „Wir räumen vormittags auf und dann bringe ich die Sachen noch weg.” Nachhaltigkeit ist ihr wichtig, den Kunden etwas für die Zukunft zu vermitteln, bewusst zu konsumieren. Und sich im Idealfall durch die eigene Arbeit überflüssig zu machen.

Mein Job passt zu mir

Dass es ihr nach wie vor schwerfällt, „groß zu denken”, hat Julia akzeptiert. „Das Ziel, davon leben zu können, ist für mich groß genug”, lacht sie. Einfach anzufangen sei für sie genau der richtige Weg gewesen, sagt sie heute – und genau das ist ihr Tipp für potentielle Gründer, die eine tolle Idee haben, aber noch zögern: Nicht gleich Schulden machen, sondern erst gucken, ob das Business auch zu einem passe. Denn das kann sie mit einem klaren Ja beantworten: „Es hat einen praktischen Aspekt, ist tatkräftig, man sieht den Effekt. Und ich liebe die menschliche Seite: Man lacht miteinander oder weint auch mal. Das ist einfach das echte Leben.”

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