Alessandro Cocco hätte zufrieden sein können. Mit seinem Job bei der Berenberg Bank hatte der gelernte Investmentfondskaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaftler eine solide Karriere vor sich. Aber dann begann das Grübeln. „Vor zwei Jahren fing ich an, das Ganze zu hinterfragen und überlegte, wo ich meine Energie so einsetzen kann, dass ich einen gesellschaftlichen Wandel mitgestalte. Und das wollte ich, auch wenn das ambitioniert klingt.“ Schließlich sah er nur einen Weg: Aussteigen und das eigene Social Startup gründen. Mit recyclehero sorgt der 35-jährige nicht nur für den Abtransport von Wertstoffen. Er hilft auch Geringqualifizierten in den Job.
Faulheit führt zur Ur-Idee
Dass sein Business eine Servicelücke schließt, steht für Alessandro fest: „Jeder muss Papier und Glas wegbringen, aber kaum jemand hat Lust dazu. Gerade in einer WG oder innerstädtischen Bereichen, wo es meist keine Altpapierabholung gibt. Kurzum: Es gibt für alles einen Service, warum nicht dafür? Die Idee ist aus reiner Faulheit entstanden.“ In großen Kisten werden die Wertstoffe abgeholt, 7,90 Euro für 20 Kilo Altglas, Altpapier kostet 9,90 Euro. „Die Preise sind so kalkuliert, dass wir kostendeckend arbeiten, das ist für den Start ok“, findet er.
In Teilzeit von Startups lernen
Als „begeisterter Zahlenmensch“ setzte Alessandro nicht alles auf eine Karte – und gründete mit seiner Freundin in Teilzeit. Seit einem Dreiviertel Jahr arbeitet er vier Tage die Woche bei CAPinside, einer Online-Plattform von Investoren für Investoren. Ein ideales Umfeld, um Startup-Luft zu schnuppern und von Gründern zu lernen. Der Rest der Woche gehört recyclehero. Die Zeit ist wertvoll, denn ein großes Projekt steht an: Mit einer Crowdfunding-Kampagne will er neue Lastenfahrräder mit E-Antrieb finanzieren, um weitere Hamburger Stadtteile abzudecken. „Crowd aufbauen, Film drehen, da reichen drei Tage kaum.“
Netzwerk aus Kunden und Heroes
Gewinne stehen bei der Gründung, die demnächst in ein gemeinnütziges Unternehmen übergehen soll, nicht im Vordergrund. Dafür gesellschaftlicher Mehrwert. „Eine Community“, schwebt Alessandro vor, ein Netzwerk aus Kunden und Heroes, das Türen öffnet: „Wenn man sich kennt und weiß wo der andere hin will, ist es leichter zu helfen und beispielsweise einen Schreiner aus Syrien erfolgreich zu vermitteln.“ Die Teilzeitstelle bei den Heroes ist als Einstiegshilfe für Geflüchtete oder Langzeitarbeitslose gedacht – mit Raum für Weiterbildung. Künftig sollen sich drei Heroes ein Lastenrad teilen.
Stipendium und grünes Licht von der hei.
Dass ihre Geschäftsidee gleich viel Lob einheimste, hat Alessandro selbst überrascht. „Netzwerken“ wollte er, als er mit seiner Freundin das Grobkonzept bei einem Workshop des Social Impact Labs im Betahaus im Schanzenviertel vorstellte – und prompt ein Stipendium gewann. Die ersten Schritte aber finanzierte das Paar komplett aus eigenen Mitteln – und holte sich Rückendeckung bei der hei. „Die Beraterin hatte sich das Konzept vorher sehr genau angesehen und gleich Feedback gegeben, das erlebt man selten. Es kamen Aspekte dazu, an die noch keiner gedacht hatte, das hat mich positiv überrascht!“ Seminare aus dem hei.scheckheft, besonders für Steuern und Rechtliches, will Alessandro so bald wie möglich besuchen. „Bislang war zu viel auf dem Tisch. Aber für eine gemeinnützige Unternehmung wäre das wichtig.“
Fliegt die Idee oder nicht?
Zurzeit entwickeln die Jungunternehmer eine App, über die man Abholungen in Auftrag geben kann. Bei Viper Development hatten sie bei einem Pitch für soziale Projekte 10.000 Euro für die App-Entwicklung gewonnen. Zum Start der Crowdfunding-Kampagne soll sie fertig sein. Für Alessandro ist die Kampagne „der Gradmesser, ob die Idee fliegen wird oder nicht. Wenn wir es nicht schaffen, die 10.000 Euro einzusammeln, dann wird es schwierig. Man will ja nicht ewig in der Prototypphase bleiben.“
Keine Angst vor Ideenklau
Dass man sozialen Mehrwert schaffen und trotzdem Geld verdienen kann, davon ist er überzeugt. Dabei gehören Rückschläge zum Geschäft: „Heute kündigt der einzige Hero, und morgen gewinnst du einen Gründerwettbewerb.“ Auf diese Achterbahnfahrt müsse man sich einlassen. „Redet über eure Ideen, dann kommt ihr weiter“, rät er anderen Gründern. „Und keine Angst vor Ideenklau. Viel öfter passiert es, dass man Unterstützung bekommt und Mitstreiter findet.“ Dafür ist er selbst der beste Beweis.