Von Fanø bis Fantasia: Tobias Rothenberg markiert individuelle Lieblingsorte
Der erste Kuss am Sylter Weststrand, Familienurlaube auf Kreta oder die große Sehnsucht nach Patagonien. Tobias Rothenberg weiß: Fast jeder hat seinen Sehnsuchtsort – und wird gerne daran erinnert. Der 42jährige baut Wegweiser, die genau dorthin zeigen, wo man am liebsten war. Oder gerne wäre. Mit „Meine Lieblingsorte“ ist er nicht nur bei Surfern und Globetrottern erfolgreich, sondern auch bei großen Firmen und Weddingplannern. Die hei. hat mit dem Existenzgründer über seinen Kurswechsel gesprochen.
Die Idee, sich mit Wegweisern selbstständig zu machen, klingt für jemanden, der für die Ausbildung von Versicherungsvermittlern zuständig war, ziemlich abwegig. Wie bist Du auf die Idee gekommen?
Als ich mit meiner Familie im Sommer zelten war, hat meine Frau auf dem Campingplatz einen Wegweiser entdeckt und sich genau so einen für den Garten gewünscht. Also habe ich ihr einen mit unseren Lieblingsorten gebaut und zum Geburtstag geschenkt. Die nächsten bekamen Freunde, und so sprach sich das herum. Bald hatte ich meine ersten Kunden. Tja, und ein bisschen Weltenbummler bin ich ja auch. Nach meiner Banklehre bin ich mit dem Auto ein halbes Jahr durch Iran und Pakistan bis nach Indien gefahren. Mit Lieblingsorten kenne ich mich also aus.
Wann wurde Dir klar, Du dass Dich genau damit selbstständig machen willst und das mehr ist als Spielerei?
Bei der Swiss Life leitete ich ein Team mit zwölf Mitarbeitern und war von Bremen nach Hamburg gezogen. Und es war bereits klar, dass die Firma nach Hannover ziehen würde, als ich 2016 die Idee zu den „Lieblingsorten“ hatte. Nochmal pendeln, das kam für mich nicht in Frage. Also habe ich mich auf den Ausstieg vorbereitet. Als ich mein Unternehmen am 1. Mai 2017 anmeldete, hatte ich bereits den ersten großen Akquiseerfolg: Nach dem Versand eines kleinen Wegweisers an eine Beratungsfirma in Norddeutschland wurden prompt 500 Stück angefragt. Das war eine tolle Bestätigung.
Bei Deinen Wegweisern legst Du viel Wert auf eine herausragende Qualität. Wie hast Du Dir das handwerkliche Know-How zugelegt?
Qualität ist mir wichtig und ich bin detailverliebt: Der Kastanienholzpfahl kommt aus Frankreich und ist sehr witterungsbeständig, das Lärchenholz für die Schilder hat einen hohen Härtegrad, das unbehandelte Holz „altert in Würde“ und muss nicht nachlackiert werden. Beim großen, bis zwei Meter hohen Wegweiser erfolgt das Zusägen in Handarbeit, mit dem Folienplotter werden Schablonen hergestellt und dann die Schrift per Hand daraufgemalt. Die Schilder des kleinen, etwa 25 Zentimeter hohen Wegweisers werden mit dem CO2-Laser graviert, und der ist teuer. Vorteilhaft ist es, über ein Netzwerk zu produzieren und Maschinen mitzunutzen; bei der Bremer Drechslerei kann ich z.B. den CO2- Laser mitnutzen. Ich habe außerdem extrem von Makerspaces profitiert, das ist eine Kombination aus Coworking und Werkstatt. Im Fablab in Hamburg konnte ich so in der Prototyp-Phase auch als Laie ein absolutes Profi-Produkt herstellen und verschiedene Technologien ausprobieren, das war eine Riesenhilfe.
Haben Deine Prototypen denn gleich den ersten Praxistext überstanden?
Jein. Schon während der Testphase tauchte das Problem auf, dass die Schilder in die richtige Richtung zeigen müssen, wenn sie beim Kunden ankommen. Da ich meist nicht wusste, wo der Wegweiser am Ende stehen sollte, war das schwierig. Also beschloss ich, dem Nutzer eine Möglichkeit zur Anpassung vor Ort zu geben und ihn eine von zwei Spitzen einfach selbst absägen zu lassen. Wer einen Pfahl in den Boden rammen kann, kriegt das mühelos hin.
Die meisten von uns dürften Wegweiser nur aus dem Wald kennen. Wer ist deine Zielgruppe und wie machst Du sie auf Dein Produkt aufmerksam?
Ich habe den Vorteil, dass das Gesamtpaket niemand genau so anbietet. Um größere Stückzahlen zu verkaufen, akquiriere ich verstärkt im B2B-Bereich. Zum Glück eignet sich der Wegweiser prima als Akquise-Tool: Er ist haptisch, und die Größe fällt zwischen der übrigen Post auf. Er lässt sich hervorragend emotional aufladen, kann Dinge erklären – oder einfach lustig sein. Er ist ein persönliches, aber nicht zu intimes Geschenk. Es wird jetzt eine Kletteredition des kleinen Wegweisers geben, da kommt mir mein altes Hobby zugute, außerdem mache ich eine Variante für Weinanbaugebiete. Aber es gibt viel mehr Anwendungsgebiete: Ein Fertighaushersteller kann z. B. einen Wegweiser beim Einzug überreichen, oder ein Unternehmen verschenkt ihn zum Abschied, wenn jemand in Rente geht. Wichtig ist, bei der Akquise gleich ein überzeugendes Beispiel für die Anwendung zu geben.
Wie konnte Dich die hei. bei der Existenzgründung unterstützen?
Ein befreundeter Unternehmer schwärmte mir von dem breiten Angebot der hei. vor, und ich bekam kurzfristig einen Termin bei Frau Bachmann. Das Beratungsgespräch hat mir bestätigt, dass mein Projekt mehr ist als eine Hobbybastelei, das hat Mut gemacht. Da ich nicht übertrieben kontaktstark bin, war das hei.gründerfrühstück enorm wichtig. Dabei haben sich tolle Win-win-Situationen ergeben wie z. B. das Treffen mit zwei Weddingplannern, mit denen ich maßgeschneiderte Schilder für Hochzeiten entwickeln will. Das Coachingprogramm aus dem hei.scheckheft habe ich genutzt, um mich in Bereichen fit zu machen, in denen ich noch wenig Erfahrung hatte: Angebotskalkulation, Rechtsfragen zum Thema Onlineshop und Suchmaschinenoptimierung.
Nach den ersten Erfolgen: Wohin soll die Reise gehen?
Ich will das Produkt natürlich weiterentwickeln. Mir schweben feste Sets vor, z. B. für Aida Cruises, um Stationen der Reise festzuhalten. Im Stadtmarketing könnte ein Set auf wichtige Orte hinweisen. Meine Ideenliste ist lang! In Affiliateprogrammen wie geschenke.de aufgenommen oder bei Globetrotter gelistet zu werden, wäre natürlich ein Traum. Derzeit habe ich meinen eigenen Shop eröffnet auf meinelieblingsorte.com, um unabhängiger von anderen Anbietern und deren hohen Gebühren zu werden, die verteuern das Produkt oft unnötig. Für die Produktion brauche ich langfristig Unterstützung, das ist doch viel Handarbeit, und betriebswirtschaftlich macht es mehr Sinn, wenn ich mich verstärkt um Abnehmer kümmere. Ich könnte mir gut eine Zusammenarbeit mit den Winsener Werkstätten vorstellen.
Welche Wegweiser würdest Du für andere Hamburger Existenzgründer geben?
Voll durchstarten geht nur in Vollzeit! Plant genug Vorbereitungszeit ein und fangt am besten schon parallel zu Euren Jobs an – und sei es am Abend oder an den Wochenenden. Während der Testphase des Produkts holt Euch Feedback ein, hört auf Kritik, am wichtigsten ist wirklich: zuhören, zuhören, zuhören! Wer alles besser weiß oder einfach vorprescht, muss manchmal viele unnötige Irrwege in Kauf nehmen.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute!