„Ich lass mich nicht gern einengen“, sagt Marta Thut und diese Aussage darf man sowohl auf ihre Selbstständigkeit als auch auf ihre Unterwäsche beziehen. Die 33-jährige Hamburgerin hat vor drei Jahren Balconette Brafitting gegründet. Seitdem hilft sie Frauen auf professionelle Weise, BHs zu finden, die wirklich passen. In ihrer Secret Lounge, zu der Kundinnen nur nach vorheriger Terminabsprache Zutritt haben, berät die Gründerin Frauen jeglicher Alters- und Figurklassen – und bringt deren Vorstellungen davon, was eine „normale“ BH-Größe ist, gehörig durcheinander.
“Normal gibt es nicht”: Für jede Frau gibt es den passenden BH
Bevor es ans Anprobieren geht, gibt es bei Marta Thut erst einmal etwas sehr Grundlegendes zu lernen: „Normal gibt es nicht.“ Sie stellt klar: „Wenn eine Frau keinen passenden BH findet, dann ist nicht ihr Körper falsch, sondern das Angebot mies.“ Weil viele Frauen aber eher an sich zweifeln als am Einzelhandel, greifen sie oft zu Modellen, bei denen es schnell anfängt zu rutschen, rauszuquellen, einzuschneiden oder zu drücken. Acht von zehn Frauen, so berichtet Marta Thut, trügen die falsche BH-Größe – und sieben von ihnen wüssten noch nicht einmal, dass sie betroffen sind.
Brafitting heißt: Modelle für jede Körbchengröße
Und so sind überraschte Blicke nicht selten, wenn Marta Thut ihren Kundinnen nach dem Ausmessen ihre wahre Größe mitteilt und ihnen einen BH reicht, der so gut sitzt, dass man ihn beim Tragen kaum spürt. Die Brafitterin führt über 100 verschiedene Größen ausgewählter Marken, in diversen Farbkombinationen, Schnittformen und Designs, mit Spitze oder raffinierten Accessoires, mit Unterbrustweiten von Größe 60 bis 105 und Körbchen von A bis K. „Wenn eine Frau meint, sie bräuchte 85B und dann passt ihr ein BH in Größe 75FF perfekt, dann ist sie natürlich erst einmal geschockt. Ich sage dann immer, dass wir das Größenetikett gern rausschneiden können!“, lacht Marta Thut.
Existenzgründung während der Elternzeit
Die Idee, sich mit dem Thema professionell auseinanderzusetzen, kam der dreifachen Mutter, als sie selbst auf eine Brafitterin traf. Nach langen Jahren mit drückenden BHs reichte ihr diese endlich einen in der passenden Größe. „Das war ein echtes Aha-Erlebnis. Danach habe ich angefangen zu recherchieren und das Brafitting erst einmal zu meinem Hobby gemacht“, erklärt die gelernte Außenhandelskauffrau. Sie beriet zunächst Freundinnen, die dann weitere Freundinnen mitbrachten, die ebenfalls Freundinnen mitbrachten – und entschied sich schließlich während ihrer letzten Elternzeit, das Hobby zum Beruf zu machen.
hei. Seminare halfen beim Einstieg
Statt in ihren Bürojob zurückzukehren, startete sie Balconette Brafitting als Einzelunternehmen. Zwei Wochen verbrachte sie an der Summer School der bpw Akademie, bei einem intensiven Gründercoaching, das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, und erarbeitet einen Businessplan. „Über die Summer School erfuhr ich dann von der hei. und habe einige Angebote aus dem Scheckheft besucht, die mich sehr weitergebracht haben, zum Beispiel Seminare zu den Themen Marketing, PR und Steuern. So konnten aus anfänglichen Ideen richtige Konzepte werden“, berichtet Marta Thut.
Marta Thut setzt für “Balconette Brafitting” auf Empfehlungsmarketing
Als dreifache Mutter wollte sie das finanzielle Risiko so gering wie möglich halten und nahm deshalb erst einmal kein Fremdkapital in Anspruch. Doch auch ohne teure Werbung oder Pressearbeit bekam die frischgebackene Geschäftsfrau schnell Interview-Anfragen von Blogs und Frauenzeitschriften – offensichtlich hatte sie mit ihrem Angebot einen Nerv getroffen. Auch heute läuft bei Balconette Brafitting viel über Mund-zu-Mund-Propaganda. Da ihre ersten Kundinnen über Empfehlungen zu ihr fanden, möchte Marta Thut das Empfehlungsmarketing weiter ausbauen. Langfristig ist dann auch die Einstellung von Mitarbeitern geplant.
Mut zu verrückten Ideen zahlt sich aus
Was war bislang das Schwierigste an der Existenzgründung? Marta Thut überlegt. „Wenn man etwas Einzigartiges schaffen möchte, dann gibt es niemandem, von dem man sich die Lösung abgucken kann. Man muss den Mut finden, auch ungewöhnliche Wege zu gehen, verrückte Ideen zu spinnen und sie dann zu verfolgen.“ Für die 33-Jährige hat sich dieser Mut bislang ausgezahlt. Das Geschäftsmodell trägt sich, obwohl die Beratung kostenlos ist und es keinen Kaufzwang gibt. Marta Thut kann eben auf den Aha-Effekt vertrauen: Bislang hat kaum eine Kundin ihre Secret Lounge ohne einen perfekt sitzenden BH verlassen.