Über einen Zeitraum von 13 Jahren war Irene Maria Kern in verschiedenen Unternehmensberatungen die Karriereleiter hinaufgeklettert und zu einer Spezialistin im Bereich Gesundheitswesen geworden. Doch immer nur Zahlen und Fakten, das ging der gelernten Krankenschwester und studierten Ökotrophologin zu oft an den wahren Problemstellungen ihrer Kund_innen vorbei. Sie ließ sich zum Business Coach und zur Business Trainerin ausbilden – und machte sich selbstständig. Unter dem Namen „I.M. KERN • BEWEGT“ bietet die 43-Jährige Beratung, Coaching und Training an, das den Schwerpunkt auch auf menschliches Miteinander und persönliche Entfaltung legt.
Irene, was machst du jetzt anders als in deiner Zeit bei der Unternehmensberatung?
Als Beraterin hält man sich meist an Zahlen fest. Zahlen sind wichtig, aber eben nicht alles. In der Umsetzung kommt es dann häufig zu Problemen. Wenn ich Fach-, Pflege- und Verwaltungspersonal in Krankenhäusern, Pflegeheimen oder Gesundheitszentren beriet, wie sie besser und effektiver zusammenarbeiten konnten, merkte ich, dass es feinere Methoden braucht, um sie dort abzuholen, wo sie gerade stehen. Mir ist besonders wichtig, emphatisch zu sein und die Eigenmotivation zu fördern, damit alle Teammitglieder aus ihrer Arbeitszeit – die ja auch ein Stück Lebenszeit ist – das Beste machen. Dieser Punkt steht bei den Unternehmensberatungen in der Regel nicht im Fokus.
Auf deiner Agenda stand aber schon länger der Plan, dich selbstständig zu machen?
Ja, der Übergang in die Selbstständigkeit war fließend. Schon als Festangestellte hatte ich nach einer einjährigen Coaching-Ausbildung bei V.I.E.L die Arbeitszeit auf 60 Prozent reduziert und nebenberuflich eigene Kund_innen begleitet. Als ich dann am 1. Mai 2020 gründete, hatte ich zwar nicht den einen großen Kunden, aber viele Menschen, die an meine Idee glaubten. Und ein großes Netzwerk, das ich über die Jahre aufgebaut hatte. Vor allem im Firmenkontext – in Krankenhäusern, Pflegeheimen, Medizinischen Versorgungszentren und Praxen – sind diese Kontakte absolut ausschlaggebend. Außerdem kooperiere ich weiter mit Unternehmensberatungen. So brauchte ich nur in einer Rundmail mitzuteilen „es geht los, ich bin jetzt selbstständig!“ und den Link zu meiner Homepage verschicken. Das hat ausgereicht!
Vielleicht auch, weil du so stark spezialisiert bist?
Es spricht sich natürlich herum, dass ich seit 1996 in der Branche bin, sieben Jahre Krankenschwester war. Und entsprechend praxisorientiert bin. Ein weiteres Plus ist, dass ich vor Konflikten keine Angst habe. Weil ich neben meiner Empathie auch Strategien zur Entschärfung der Konflikte mitbringe. Der Ausgangspunkt sind häufig Spannungen im Team. Meist ist das die Folge mangelnder Kommunikation. Nach dem Motto „ist doch allen klar, wie das hier zu laufen hat“. Da braucht es neue Übereinkünfte: Wie wollen wir miteinander umgehen? Wie ist unsere Struktur? Wer ist wofür zuständig? Ich arbeite aber auch an mir, damit ich immer auf dem neuesten Stand bin. Gerade habe ich eine Onlinetrainer_innen-Ausbildung absolviert.
Und du vermietest auch noch Räume. Wie passt das zusammen?
Sehr gut! Viele Coaches gehen in die Unternehmen und coachen dort. Aber für meine Privatkund_innen, die sich neu orientieren wollen, brauche ich einen neutralen Ort. Aber eben nicht immer. Mitte Juli ziehe ich nach Altona in ein größeres Büro mit vier Räumen, die ich auch untervermiete. Darunter ein Online-Studio, das auch für Coachings und Trainings genutzt werden kann. Dabei geht es mir auch darum, einen Ort zu schaffen, an dem Menschen mit einem ähnlichen Berufsbild zusammen kommen und sich austauschen können. Mit einem Flex-Abo kann man sich die „1a Räume“ dann nach Bedarf blocken.
Das klingt nach einer kreativen Unternehmensberateridee. Brauchtest du für deinen Neustart überhaupt noch Beratung?
Natürlich! 2017 besuchte ich den Hamburger Gründertag der hei., von da an war klar, dass die hei. Hamburger ExistenzgründungsInitiative mein erster Ansprechpartner wird. Das hei.scheckheft nutzte ich für einen Tag in der Lawaetz-Stiftung. Es ging um die Rechtsform, ob ich ein Gewerbe anmelden muss, welche Versicherungen Sinn machen und überhaupt: wie Selbstständigkeit funktioniert. Das war extrem hilfreich. Der hei.ideenplan, den ich später von der hei. bekam, half mir beim Sortieren, weil er klare Fragestellungen vorgibt. Beim hei.gründerfrühstück lernte ich meinen Webdesigner kennen. Interessant wäre für mich auch ein hei.seminar zum Empfehlungsmarketing. Nach wie vor kommen meine Kunden fast ausschließlich über Empfehlungen oder den persönlichen Kontakt zu mir.
Eigenmotivation ist wichtig, sagst du. Wie hält man die als Gründer_in aufrecht – auch über Durststrecken?
Als mir der Lockdown im Dezember eine schlimme Durststrecke bescherte, lernte ich etwas ganz Wichtiges. Dass ich immer noch eine Idee in petto habe. Damals suchten die Pflegeheime Menschen mit Fachhintergrund, um Testungen durchzuführen. Also wurde ich Testerin. Und arbeitete nebenbei einen neuen Testplan aus, den ich später auch in Unternehmen umgesetzt habe. Ich glaube fest daran, dass wir unser Leben selbst gestalten können. Einigen ist gar nicht bewusst, wieviel sie aus der Hand geben. Ganz wichtig im Vorfeld: Rausgehen, Fragen stellen, die hei. Hamburger ExistenzgründungsInitiative nutzen. Zu wissen, da sind Leute, die immer einen Tipp haben, weil sie sich pausenlos mit Gründerfragen beschäftigen. War mir total wichtig. Und: Sucht euch Vorbilder. Idealerweise erfolgreiche Selbstständige, die glücklich sind mit dem, was sie tun. Das sind die, die sagen: Die Idee ist gut, trau dich, mutig voran! Den Kritiker haben wir ja ohnehin im Kopf.